Mängel der MRT Untersuchung
Viele Patienten und Gesundheitsexperten sind der Überzeugung, dass eine Bildgebende-Untersuchung eindeutig Aufschluss über die Ursache von Schmerzen geben kann. Das ist jedoch nicht immer der Fall: Manchmal können MRT-Untersuchungen mehr Verwirrung stiften als Klarheit zu schaffen. Dies ist zum Beispiel auch bei Rückenschmerzen der Fall.
Medizinische Richtlinien raten von der Verwendung von MRT und Röntgen zur Diagnose von Rückenschmerzen ab, weil sie so viele Fehlalarme auslösen. 1
Wenn es um die Diagnose von Schmerzen geht, sind Bildgebende Verfahren etwa so, wie die medizinischen Ping- Geräte von Monty Python. Sie lösen oftmals (insbesondere bei Personen mit Rückenschmerzen) Fehlalarme aus.
Das große Problem bei MRT und anderen vergleichbaren Scans ist die hohe Bandbreite in der Interpretation. Was der Radiologe auf den Scans als einen Bandscheibenvorfall interpretiert, kann für einen anderen Radiologen eine Altersbedingte Bandscheibenveränderung sein.1,12
Im Jahr 2007 ist folgende Studie gemacht worden: ein Patient mit stabilen, aber chronischen Schmerzen im unteren Rücken, ist innerhalb von drei Wochen zu zehn verschiedenen Zentren gegangen und hat zehn verschiedenen Scans durchführen lassen. Die Ergebnisse dieser zehn Scans zeigten 49 verschiedene Probleme. Gleichzeitig wurde keines der gefundenen Probleme bei allen zehn Scans gemeldet.2
Ein weiterer Hinweis darauf, dass Schmerzen auch durch Gründe verursacht werden, die man auf Scans nicht sehen kann, ist folgende Beobachtung: Untersucht man schmerzfrei Gelenke mittels Scans, zeigen diese in vielen Fällen ebenso abnormale oder krankhafte Veränderungen in den Körperstrukturen, wie man diese bei schmerzhaften Gelenken beobachten kann.3, 4, 5, 6, 7, 8
Doch was bedeutet das konkret? Viele auf dem Bild dargestellten Probleme sind, bei chronischen Schmerzen, eher altersbedingt. So wie wir falten auf der Haut bekommen verändern sich auch Strukturen in unserem Körper. So kommt es zu kleineren Rissen oder ähnlichem, die sich zwar schwerwiegend anhören, aber zum normalen Altersprozess gehören.
Zusammenhang von Schmerzen und Verletzungen
Einerseits ist Schmerz etwas komplizierter als die Tatsache das eine Verletzung weh tut. Schmerz kann durch viele Faktoren begünstigt und ausgelöst werden, die gar nichts mit einer Verletzung zu tun haben. So wird dieser durch Faktoren wie Stress, Bewegungsmangel und vielen weiteren verstärkt oder abgemildert.. Mehr dazu erfahren sie hier.
Warum ist es so wichtig, MRT- und andere bildgebende Untersuchungen zur Diagnose von Schmerzen zu vermeiden?
Neben den Fehlalarmen gibt es weitere Probleme bei bildgebenden Untersuchungen. Zum Beispiel zeigen Studien, dass MRT- und vergleichbare-Untersuchungen die Vorstellung stärken, dass etwas im Körper kaputt oder schief sein könnte. Das entspricht oft nicht der Wahrheit, manchmal sind die Strukturen gesund, es fehlt einfach an Kraft in den Muskeln, Stabilität im Bindegewebe oder ähnlichem. Hat ein Patient nun Angst, dass etwas kaputt sein könnte, beginnt er oder sie sich zu schonen, anstatt beispielsweise die Muskeln zu stärken. Dies kann die Schmerzen weiter verschlimmern.13,14,16 Ein weiteres Problem ist, dass bildgebende Verfahren die Situation oft nicht klären oder sogar die Diagnosestellung trüben. Es gibt sehr viele wissenschaftliche Beweise, die darauf hinweisen, dass Schmerzen kaum im Zusammenhang mit den Testergebnissen stehen: Viele Probleme, die durch Scans aufgedeckt wurden und als “offensichtliche“ Probleme erscheinen, sind in Wahrheit keine Probleme. Beispielsweise heilen über die Hälfte aller Bandscheibenvorfälle oder Gleitwirbel von allein.10 Das Problem dabei ist, dass dadurch eine möglicherweise falsche Diagnose gestellt und deswegen auch eine falsche Behandlung durchgeführt wird. So steigt die Schmerzmitteleinnahme und die Operationshäufigkeit nach einer Bildgebenden Untersuchung. Trotz, dass es dasselbe zu Grunde liegende Problem ist.13,14,16 Dies ist auch einer der Hauptgründe, warum es so beängstigende Statistiken über die wirtschaftlichen Kosten von Schmerzbehandlungen gibt. Allein Rückenschmerzen verursachten im Jahr 2020 kosten von ca. 3,8 Milliarden Euro in Deutschland.15,16
Was sieht es oft in der Praxis aus?
Wenn wir unsere Patienten fragen, was sie als Ursache ihrer Beschwerden vermuten hören wir häufig folgende Antworten:
- „Das sind die Abnutzungen meiner Wirbelsäule.“
- „Verschleiß.“
- „Das kommt durch meinen Beruf“.
- „Ich bin einfach zu alt.“
Dies wirft eine spannende Frage auf: Findet man im Umkehrschluss also keine degenerative Veränderung bei jungen, beschwerdefreien, sportlichen Menschen?
Hierzu wurden in einer Studie 33 beschwerdefreie Tennisspieler im Alter von durchschnittlich 17,3 Jahren untersucht. 11 Nur bei fünf Spielern (15,2%) wurde keine Auffälligkeit gefunden. 84,8% zeigten Auffälligkeiten an Gelenken und der Wirbelsäule. Man kann also sagen: Anormal ist, wenn man keine Auffälligkeiten im MRT findet. Denn auch junge, gesunde Menschen zeigen oft Veränderungen auf Bildern, die jedoch keinen Krankheitswert haben.
Wann sollten dennoch MRT- und andere Bildgebende Untersuchungen durchgeführt werden?
Wir möchten nicht sagen, dass ein MRT oder andere Scans nutzlos sind oder niemals verwendet werden sollten. Natürlich werden nicht immer falsche Alarme ausgegeben. Das MRT ist zweifellos eine Wundertechnologie – die Fähigkeit, klare Bilder von Weichteilen tief im Körper zu erhalten, kann sehr wertvoll sein. Bildgebende Verfahren sind bei schwerwiegenden oder unheilvollen Anzeichen und Symptomen, wie bei Tumoren und vielen weiteren sehr hilfreich, um eine schnelle, genaue Diagnose und schnelle Behandlung zu ermöglichen.
Allerdings kann das Durchführen von bildgebenden Verfahren, zu möglichen Über- & Fehldiagnosen führen. Deswegen sollte man ein Bild ausschließlich dafür nutzen, das Schlimmste auszuschließen. Bei Beschwerden, die nicht auf ernsthafte Erkrankungen hinweisen, sind bildgebende Untersuchungen nicht notwendig.
FAZIT
Zusammenfassend sollten MRTs und andere bildgebende Verfahren gezielt eingesetzt werden. Bei leichten Beschwerden sind sie oft nicht nötig, da sie zu Fehlalarmen und falschen Diagnosen führen können. In ernsten Fällen, wie bei Verdacht auf Tumore oder Verletzungen der Organe, sind sie jedoch unverzichtbar, um eine schnelle und präzise Diagnose zu stellen.
Quellenangabe:
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