Corona Inaktivitätsguide #BesondereHelden
Nachdem die Bundesregierung vor zwei Tagen das wohl beste Video aller Zeiten zum Thema Corona veröffentlicht hat, fühlen wir uns gezwungen euch aus wissenschaftlicher Sicht zu zeigen was jetzt eigentlich passiert, wenn wir während des Lockdowns tatsächlich „faul wie die Waschbären sind“ oder „Tage und Nächte lang auf unserem Arsch zu Hause liegen“. Denn genau das, „wenn die Couch zu unserer Front wird“, ist das schlechteste was wir während des Lockdowns machen können, es sei denn wir möchten alle unser Immunsystem schwächen und die Krankenhäuser überlasten.
„Seit Corona habe ich wieder Schmerzen bekommen“
„Durch Corona kann ich keinen Sport mehr machen“
„Seit Corona fühle ich mich insgesamt schlechter“
Wir können euch gar nicht sagen, wie häufig wir diese Sprüche oder ähnliche seit dem Ausbruch von Corona gehört haben. Das ist vielleicht ein Aspekt der Krise, der gut ist. Die Leute merken, wie wichtig alltägliche Bewegung ist. Glaubt uns wenn wir sagen, dass sich für uns in der Therapie wenig verändert hat, denn auch vor Corona war das ein Großteil unseres täglichen Brotes, unsere Patienten dahin zu bewegen/motivieren sich selbst mehr zu bewegen. Welcome to our job!
Es ist viel dran an dem Spruch: „Bewegung ist Leben“.
Dies wird vielen jetzt bewusst. Denn man muss verstehen, dass sich im Körper alles in einem ständigen Wandel, in einem Auf-und Abbau befindet. Dies ist auch elementar wichtig, wir profitieren davon und früher sowie heute sichert der Körper so unser Überleben. Die Rate, in der gewisse Bausteine in eurem Körper erneuert werden heißt Turn-over-Rate. Diese legt fest, in welchem Zeitraum der Körper das Gewebe einmal ab- und wieder aufbaut, beispielsweise werden eure Schleimhäute im Mund alle 2 Tage komplett ausgewechselt. Um es an einem praxisrelevanteren Beispiel festzumachen, braucht die Gelenkflüssigkeit (Synovia) 7-10 Tage, um komplett erneuert zu werden und dies nur unter optimalen Voraussetzungen. Wenn man sich jetzt anschaut, welche Reize der Körper braucht, um Synovia zu synthetisieren, wird schnell deutlich wie wichtig Bewegung für die Synovia ist aber dies lässt ich auf nahezu JEDE STRUKTUR IM KÖRPER übertragen. Der Körper braucht vor allem elektrische Reize damit die Zellen ein Signal zur Synthese bekommen. Wie entsteht dieser elektrische Reiz? Wie überall in unserer Natur, gibt es negativ und positiv geladene Strukturen, wenn diese gegeneinander bewegt werden entsteht ein elektrisches Signal. Ja ihr habt richtig gelesen: BEWEGT. Und dort schließt sich der Kreis zur Behandlung. Meist müssen wir in unserer Behandlung einfach nur Bewegung im Gewebe verursachen, damit sich dieses regenerieren kann. Damit versuchen wir diesen Prozess optimal zu unterstützen.
Dass Bewegung einen positiven Einfluss auf die Gesundheit in jedem Alter findet ist in vielen Studien belegt. 1
Eine moderate bis intensive Aktivität und zweimaliges Training pro Woche werden als ausreichend angesehen. Aber auch nicht mehr als AUSREICHEND!2,3 Traurigerweise erreichen nur 20% der Männer sowie 25% der Frauen diesen Umfang an Bewegung. Und gerade vorbelastete Menschen mit Übergewicht oder chronisch Kranke bewegen sich viel zu wenig. Tragischerweise wächst die Zahl dieser Personen stetig. 4,5
Mangelnde Bewegung ist ein Marker für durch Tod oder Behinderung verlorene Lebensjahre. 6
Wie oben schon beschrieben, versorgt ein aktiver Lebensstil den Körper und seine Gewebe mit spezifischen Reizen, die zu Adaptionen (Anpassungen) führen.7 Körperliche Aktivität verbessert die Herzleistung, Muskeldurchblutung und die aerobe Kapazität (die Leistung, die ich bringen kann, ohne außer Atem zu kommen), senkt die Neigung zu entzündlichen Reaktionen und fördert den Schlaf.7 Des Weiteren wird die körperliche Selbstwahrnehmung und soziale Teilhabe verbessert.8
Körperliche Bewegung ist nicht nur die Voraussetzung für Gesundheit, sondern auch ein effektives Therapiemittel für die Behandlung von muskuloskeletalen, metabolischen, pulmonalen, kardiovaskulären, neurologischen, psychiatrischen und onkologischen Erkrankungen.9
Ein Umbrella Review der Cochrane Gesellschaft zeigt positive Effekte von Trainingstherapie auf Schmerz, Funktion und Lebenqualität.10 Es steigert die Abwehrkräfte und hilft bei der Prävention von mindestens 35 Krankheiten und das fast ohne Nebenwirkungen. Das muss ein Medikament erst einmal schaffen! 7,11 Auch Querschnitts-und Längsschittstudien weisen auf einen präventiven Effekt bezüglich des Risikos, chronische Schmerzen zu entwickeln, hin. 12-17
Um es noch einmal etwas spezifischer auszudrücken, im Folgenden noch ein paar Studien:
Eine Metaanalyse zeigte, dass Übungsprogramme das Risiko einer neuen Episode von Nackenschmerzen verringern. 18 Auch bei Rückenschmerzen konnte eine Übungstherapie oder Übungstherapie mit Edukation zu einer Risikoreduktion von Rezidiven (Wiederauftreten von Problemen) führen. 19 Auch bei Weichteilverletzungen (z.B. Muskelverletzungen) zeigte sich ein verringertes Chronifizierungsrisiko und deutlich schnellere Arbeitsrückkehr, reduzierte Kosten sowie eine reduzierte (psychologische) Belastung und Schmerzbeeiträchtigung.20,21
Wie kann ich dieses Wissen nutzen und was kann ich für meine allgemeine Gesundheit tun, obwohl zurzeit alle Fitnessstudios geschlossen sind?
Schon geringe Dosen an Körperlicher Aktivität können präventive Effekte haben, aber wichtig zu beachten ist, dass jeder Zusatz an körperlicher Aktivität mit zusätzlichem gesundheitlichem Nutzen verbunden ist.22 Wir empfehlen euch, jeden Tag – zusätzlich zu euer normalen Alltagsaktivität – laufen zu gehen und zwar bei einem möglichst konstanten Tempo. Dieses Tempo haltet ihr so lange, bis ihr euch nicht mehr gut unterhalten könnt. Wenn ihr mehr als 5 Minuten braucht, um diesen Punkt zu erreichen solltet ihr schneller laufen. Wenn ihr den Punkt erreicht habt dann drosselt ihr das Tempo ein wenig und zwar so lange bis ihr wieder bei Atem seid. Ist dies gegeben, erhöht ihr das Tempo wieder. Es handelt sich quasi um ein leichtes Intervalltraining. Die gesamte Trainingsdauer sollte zwischen 30 und 45 Minuten liegen und das jeden Tag. Ihr solltet merken, dass ihr euch nach zwei Wochen verbessert habt.
Außerdem solltet ihr mindesten zwei Mal pro Woche ein Widerstandstraining durchführen. Dazu könnt ihr gerne unseren Quarantäne-Trainingsguides verwenden.
Der letzte Tipp ist, dass ihr mindestens 1,1 g/Kg Körpergewicht Eiweiß an jedem Tag essen solltet, dies schützt euch davor, Muskeln zu verlieren, auch wenn ihr eine gewisse Zeit nicht hart trainieren könnt. Weitere Tipps zum Thema Ernährung findet ihr hier. Auf unserer Corona-Präventionsseite, zeigen wir euch Schritt für Schritt, was man für ein besseres Immunsystem tun sollte.
Quellenangabe:
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